Als die Wolken sich umdrehten


Teil 4

EIN KRATER WINKT UNS HERAN

"Pst!" knurrt er, und hält einen seiner langen Finger an die Lippen: "Meine Kraterbabys schlummern augenblicklich noch, kommt, schaut hinter den Vorhang -- , sind sie nicht süß?"
Wir sehen nur aufgerissene, aufgewühlte Erde.
"Hm, was meinst du damit, was machst du hier eigentlich?"
"Na, ihr Dummerchen, noch nie davon gehört - ? Ich bin ein Atomversuchskrater; die ganze Wüste, die ganze Gegend, soweit euer Blick auch schweifen mag ist Versuchsgelände!"
"Du machst uns Angst, klar wissen wir davon, aber so nah am Ort des Grauens waren wir noch nie. Wir sehen auch keinen Weg das zu verhindern, da herrschen einige angeblich Höhere drüber - - aber lassen wir das."
"Warum denn, ihr Süßen, spielt mit meinen Kleinen, kommt, sie werden gleich wieder mächtig den Himmel verdunkeln mit ihrer Toberei. Die Erde wird erzittern, sobald sie die Kruste mit ihren Feuerbällen aufreißen - kommt - kommt."
"Wir müssen den Zeitzeiger suchen."
"Aber, aber, hier benötigt ihr keine Zeit - wozu auch, Leblosigkeit ist nach der Toberei das Wichtigste!"

EINE PANORAMA SCHABLONE

"Dann aber gaukelte uns eine Fatamorgana die herrlichsten Sträucher und Bäume vor. Am Ende stand ein ungewöhnlich geformter Baum, dessen Form ich noch niemals gesehen hatte; er sah ganz harmlos wie eine große Vase aus.
"Das ist die Richtung." Sagt das Mädchen, und wir marschierten dieser krugähnlichen Vase entgegen.
"Findet die Wolke - findet die Wolke - " hallt es tönern aus dem Innern heraus, während sich die Bäume und Sträucher in eine Panorama-Schablone auflösen ..... : "Aus der Wolke des Wissens strömt der Geist der Menschheit mit dem Regen ins All und breitet sich im Universum aus, um neue Lebensformen zu gestalten. Es hat sich herumgesprochen, Mädchen, daß du mit dem Zeitzeiger besondere Fähigkeiten besitzt. Du wirst gesucht, kein Mensch ahnt, daß du selbst auf der Suche nach dem Zeitzeiger bist!"

.......... I H R   F I N D E T   D I E   W O L K E
           I M   S C H A T T E N   D E R   Z E I T ..........

Schlagartig fallen mir die Zeilen ein, die ich im Ordner gelesen hatte.
"Wir müssen sofort umkehren", rief ich aufgeregt: "Die Schatten der Zeit liegen aufgeschichtet in deinem Zimmer."
"Wir können nicht ohne den Zeitzeiger umkehren, ohne ihn sind die Schatten sowieso wertlos."
.......... aber ... ihr findet die Wolke im Schatten der Zeit ... und die Schatten ... wenn sie absterben ... ?"

Sie zieht uns unbeirrt weiter und weiter. Schließlich gelangen wir auf eine Wiese mit einem Teich voller Moderwasser, auf dem leblose, aufgequollene Froschleiber vor sich hin faulen.
"Folgt mir!" sagt es, als riefe es zum Puddingessen.
"Nein, nein!" wehren wir angewidert ab.
.......... nicht im Wasser ..........
das Meer des Ekels, das Meer der Überwindung ..... sagt es und schritt weiterhin unbeirrt voran. Noch bevor ich auch nur einen Fuß hinein gesetzt hatte, versank sie schon und nur ihr schwimmendes Haar zeigte mir den Weg.
Nach der ekelhaften Durchquerung lag schon wieder eine unendlich weite Wüste vor uns: "Ohneinohnein!!"
Riefen die kleinen Biester mürrisch: wir sind jetzt schon ganz ausgetrocknet und ermattet!" Jetzt erst wurde mir gewahr, daß ihre Farben ziemlich verblaßt waren und sie erschienen mir für einen kurzen, schmerzlichen Moment eher bedeutungslos.
Das Mädchen aber sang:
...........nicht im Wind,
nicht im Meer der Einsamkeit und des Todes ...
Es wurden Tage voller Hindernisse; Durst und Hunger plagten uns. Ungeziefer krabbelte überall herum; Sandstürme peitschten Dünen über uns zusammen.
Als wir die Wüste endlich hinter uns ließen, tauchten gewaltige Berge, die wir besteigen mußten, vor uns auf.
Endlich, endlich, nach wiederum unzähligen Tagen, hatten wir den Kamm erklommen. Aber das Mädchen sang:
.......... nicht im Licht ...
doch im Licht der Verheißung vermeinten wir, den Zeitzeiger am Horizont zu entdecken. Der Abstieg zur anderen Seite bereitete weit größere Schwierigkeiten, als alle bisher bewältigten Strapazen.
Sosehr wir uns auch am Felsgestein festklammerten, sausten wir plötzlich unvermittelt in die Tiefe und landeten im innern des Berges, den wir so mühsam erklommen hatten und suchten tagelang nach einem Ausweg.

VERZWEIFLUNG MACHT SICH BREIT

"Was suchen wir eigentlich? Zische ich ermattet - - den Bergausgang? Den Zeitzeiger? Die Wolke?"
Mir ist unterdessen wirklich entfallen, wonach so krampfhaft gesucht wird - es ist kalt hier und unheimlich.
.......... nicht in der Erde .....
sagt das Mädchen wieder mit singender Stimme; während aus ihrem Mund Blitze schießen, öffnet sich der Berg und wir entsteigen erleichtert dem Meer der Ängste.

"Was mag nun noch zu tun sein? Flüstern die kleinen Biester.
"Ich weiß nicht," sage ich kleinlaut, denn so habe ich die Geschichte wirklich nicht geschrieben. Meine verlief ganz anders. Keine Spur von Unheimlichkeiten. Da lief fast alles glatt, eben nur, daß die Wolke verschwunden ist, sich aber leicht wieder einfinden würde.

DAS ZIEL IST IN SICHT

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Über einen unüberschaubaren Wäscheplatz verteilt, hingen Krähentränen und Krähenschnäbel zum Trocknen an schwankenden Leinen. Die Stangen, um die die Leinen gezurrt waren, steckten allesamt in ausgehöhlten Schattendunkeln.
.......... KRÄHENTRÄNEN, KRÄHENSCHNÄBEL
           AUSGEHÖHLTE SCHATTENDUNKEL ..........
Sprach das Mädchen noch einmal mit singender Stimme:

    "Los, Farben, jetzt seid ihr an der Reihe, eßt alles auf!"
    "Igittigitt!" kreischen sie angewidert und schrill durcheinander.
    "Wer frißt schon freiwillig Krähentränen und Krähenschnäbel !"
    "Macht schon, macht schon!" drängt das Mädchen ungeduldig.
    "Nein und nochmals nein! Warum freßt ihr das nicht!"
    "Menschen essen keine Krähentränen und Krähenschnäbel." Versichert das Mädchen.
Sie fragen wild durcheinander, ob es auch ein Mensch sei.
NEIN, ICH BIN NUR EIN TRAUMMÄDCHEN
Antwortet es lächelnd.
"Dann kannst du auch Krähentränen und Krähenschnäbel essen!" befahlen die kleinen Biester: Traumfiguren können das Unmöglichste schaffen."
"Das ist mir wirklich nicht möglich - los - los - eßt schon! Der Platz muß aufgeräumt werden, bevor wir ihn überqueren können, sonst versinken wir alle in den ausgehöhlten Schattendunkeln!!"
"Auf der anderen Seite wartet der Zeitzeiger, mit dessen Hilfe wir die Wolke mit Leichtigkeit aufspüren:
.... VON SÜD NACH NORD
     VON WEST NACH OST
     VERSCHLINGT DIE AUSGEHÖHLTEN SCHATTENDUNKEL
     KRÄHENTRÄNEN KRÄHENSCHNÄBEL
     UNKEN- UND HORNISSENSCHWÄRME
     WÜSTENWINDE BERGESGROLLEN
     SPINNENSUMPF
.... und schon verschlangen sie das Schwarz mit ihren bunten Mündern. Das Rot hatte schnell eine Bahn vertilgt, die anderen fraßen in rascher Folge den Platz bis zum letzten Krümel sauber --- und schon lag die Wolke Jeremia vor unseren Füssen, schwebte hinauf in den Himmel, löste die Bänder, mit denen Sie festgezurrt war.
Augenblicklich breitete der Regenbogen die ins All hängenden Arme über die Erde, die Farbkleckse sprangen fröhlich hinein und ein Leuchten und Regnen ließ Menschen, Tiere, Bäume und Blüten aufatmen.
"Es war trotzdem schön mit euch!" winke ich dem Regenbogen hinterher und stehe lachend im Regen ...


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