Als die Wolken sich umdrehten


Teil 3

VERWIRRUNG IM WOLLGESCHÄFT
"Gibt's hier Wolken?" riefen sie ohne Umschweife und zerrten schon an den flauschigen Knäulen wieselnd und mitleidslos herum.
"Laßt das! Nicht hier!" brachte ich steif vor Erschrockenheit hervor.
Die Verkäuferinnen drehten sich wie auf Kommando um und starrten mich entgeistert an. Während aus ihren Armen weißflauschige Wollwolken zu Boden stürzten, brachte ich ein schluchzendes:"Entschuldigung." Hervor und stürmte gehetzt hinaus.
So, da sollen sie gefälligst bleiben! dachte ich erschöpft, ans kühle Glas gelehnt.
"Du weinst ja." flüsterten sie voller Mitgefühl und krochen schuldbewußt aus den Taschen, in mein Gesicht.

"Guck mal Mami, jetzt ist Karneval, die weinende Frau hat sich bunt angemalt!" kreischte ein Mädchen aufgeregt.

"Unwahrscheinlich, daß wir die Wolke Jeremia je wiederfinden," tröste ich die verzweifelte und entmutigte Bande. "Laßt mich schlafen, ich bin müde und völlig erschöpft," füge ich kleinlaut und traurig hinzu, nicht stärker und ausdauernder zu sein, - jetzt, wo es so sehr darauf ankommt ...
DIE GUTE FEE
Eine gute Fee erzählt mir gerade, wo sich die Wolke Jeremia so hartnäckig verborgen hält. Atemlos lausche ich, den Blick gebannt auf ihren lächelnden Mund geheftet. Mein Blick ist aufsaugende Watte, Pflaster auf ihren Lippen; kein Wort darf mir verloren gehen!
Aber dann ritzen sich ihre Worte, die honigsüßen, in mein Gesicht und strampeln in den Haaren herum wie wildgewordene Hornissen; stechen in die Lippen, als küßte ich einen Igel;strangulieren Fingerspitzen und Ohren; zupfen und trampeln Falten ins Kleid, hinter denen sie mit einem kraftvollen Sprung in ein Nichts verschwinden. Klicken Sie hier für die grosse Darstellung

DIE FREMDE FRAU
Eine fremde Person springt mir entgegen; um ein Haar wären wir zusammengeprallt. Aber das bin ja ich, aufgescheucht aus tiefstem Schlaf ! "Was ist los! Was habt ihr mit mir gemacht!" schreie ich meine Ohnmacht in den Spiegel, in dem ich mich als bunten Kreisel drehe.
   "Wir woll'n dich inspizieren," sie strahlen mich an, als wäre ich ihr gelungenstes Meisterwerk.
   "Seid ihr verrückt? Die Fee hat`s mir grad zugeflüstert! Jetzt habt ihr alle Gedanken und Worte verscheucht!
Oje,oje, wie seh ich nur aus!" jammere ich:" alles ist verloren, alles ist verflogen!" und ich suche zwischen den Falten des Kleides nach den Worten. "Außerdem heißt es inspirieren - aber so doch wohl nicht!"
Nun sehe ich, daß die Wände genau so fürchterlich bekritzelt und beschmiert aussehen wie ich.
Auf dem Regal steht ein einsamer Ordner, dick und bunt beschriftet

ALS DIE WOLKEN SICH UMDREHTEN
"Du mußt die Geschichte unbedingt wieder aus dir herauszaubern!" Sie geben einfach keine Ruhe:
"Wie soll ich mich noch an Einzelheiten erinnern?" - ich bin zerknirscht, - "habe nun mal alles verbrannt, daran ist leider nichts mehr zu ändern - und da ihr soeben die gute Fee vertrieben habt mit eurer scheußlichen Malerei, ist es schlecht um die Welt bestellt. Sie war dabei, mir zu verraten, wo sich die Wolke aufhält."
"So erinnere dich doch! wispern die kleinen Scheusale, erinnere dich an das, was die Fee dir gesagt hat!"

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ABER ICH ERINNERE MICH AN NICHTS!
"Ich bin müde, vielleicht kehrt die gute Fee zurück - seid also leise und verursacht nicht wieder so ein Chaos!"

Als ich erwache, traue ich meinen Augen kaum - die Schreibmaschine tanzt im Zimmer umher, beschriebene Blätter quellen aus den Wänden hervor und die Buntstifte und Schreiber huschen über Tapeten und Tische und unzählige Farbtupfer hüpfen frei im Raum.
   "Schon wieder!" stöhne ich gestressst. Die Ruhe um mich läßt mich mißtrauisch aufhorchen.
   "Biester, wo seid ihr?" rufe ich argwöhnisch. "Was soll das schon wieder?"
Aber nichts außer das Rascheln hervorquellender Blätter sowie das Hämmern der Schreibmaschine ist zu vernehmen.
DAS ROTE LICHT TANZT MIT DER MASCHINE ODER SIE MIT DEM LICHT
"Du Rot, bist du es?" werfe ich meine Frage verwirrt und erschrocken zugleich, in den Raum.
Jetzt bemerke ich , daß ich gestern vergessen hatte, die Schreibmaschine auszuschalten.
"Aha" sage ich "Aha!" und ziehe vorsichtshalber den Stecker heraus. Augenblicklich poltert die Schreibmaschine auf die Tischplatte, die Blätter rauschen zu Boden, wo sie sich stapeln und sich mit den Buntstiften vermischen. Noch bevor ich alles aufheben kann, heften sich die Blätter in den Ordner, der schnappt zu und ruckt hinauf ins Regal.
ALLES IST, ALS WÄRE NICHTS GEWESEN
Sie kriechen vorsichtig aus ihrer Schlafschublade hervor.
"Mensch, hast du das gesehen - schau sofort im Ordner nach was los ist, - vielleicht ist die Wolke zurüchgekehrt ...
Das ist tatsächlich die Geschichte. Die Erinnerung überwältigt mich. "Aber sie ist nicht zuende geschrieben", sage ich enttäuscht.
Auf den ersten fünf Seiten steht in steiler Schrift: R E G E N
Auf den nächsten sechs: WAS MACHT IHR OHNE REGEN
Und auf den folgenden sieben: IHR M Ü S S T DIE WOLKE FINDEN
DER WEG DURCH EINEN BLAUEN TUNNEL MISST RICHTUNG UND ZEIT:

Nicht im Wind, nicht im Wasser
Nicht im Licht, nicht in der Erde
Jeder Baum und jede Blüte
Jedes Wort gebiert sich selbst
Nicht im Osten, nicht im Westen,
nicht im Norden, nicht in Süd ...
KRÄHENTRÄNEN KRÄHENSCHNÄBEL
AUSGEHÖHLTE SCHATTENDUNKEL
Ihr findet die Wolke
Im Schatten der Zeit ...

Wir machten uns sofort auf, den Schatten der Zeit zu suchen. So fielen wir eines Tages durch einen blauen Tunnel in die Zeit des Mädchens mit dem Zeitzeiger.
"Soll ich euch meinen Zeitzeiger zeigen?" Klicken Sie hier für die grosse Darstellung fragt es, und stellt eine Schüssel, angefüllt mit Wasser, in den rosa getünchten Raum. Augenblicklich dreht sich ein langer, blauer, transparenter Strahl, ausgehend von dem Gerät in den Händen des Mädchens, über die Wände. Der transparente Schatten stößt holpernd an die Gegenstände, über die er gleichmäßig gleitet. Aber dann reißt er fast das Radio vom Regal, kann nicht weiter, zerrt wie wild an ihm herum.
Das Mädchen beugt sich hinüber, die Verkanntung zu beseitigen. "Nein,nein!" rufen wir entsetzt und ich packe es schnell und hebe es aus der Wasserschüssel heraus.
"Nun habe ich meinen Zeitzeiger verloren!" sagt das Mädchen verschreckt und sackt in sich zusammen.
"Ich wollte dich bewahren, du hättest einen Schlag bekommen." Ich bin nun auch sehr verunsichert. Aber das Mädchen deutet auf die aufgeschichteten transparenten Schatten in der Zimmerecke, die der Strahl zurück gelassen hat.
"Sag mir, wozu benötigst du den Zeitzeiger?"
"Er reißt mit seinen blauen Schatten die Zeit ein", sagt es: "ohne Zeit gibt`s keine Zeit. Wir müssen den Zeitzeiger suchen, um die Zeit zurück zu holen, denn die Zeit ist das, was gerade geschieht ...!"
"Wo meinst du, werden wir ihn finden?" "Das kann ich wirklich nicht sagen, ich weiß nur, daß wir die Schatten nicht lange allein lassen dürfen, denn auch in den Schatten wohnt das Leben."
"Sie können für sich allein nicht existieren - was geschieht ansonsten mit ihnen?"
"Ohne den Zeitzeiger werden sie getötet. Wir dürfen uns nicht anmaßen, sie zu töten, damit töten wir gleichzeitig auch die Zeit." Sagte es, und zog uns mit einer hastigen Gebärde mit sich durch den blauen Tunnel.
"Spielkram!" kreischen die Farbkleckse, als wir so fröhlich durcheinandergewürfelt den Tunnel durchqueren.
Aber der mühsame Weg einer vermeintlich ausweglosen Suche beginnt in dem Augenblick, als wir unverhofft mitten in einer unendlichen Wüste stehen.

UNHEIMLICHE BEGNEGUNGEN

Für irgendwelche geheimnisvolle Zwecke hatte jemand ein großes Holzgerüst aufgebaut. Es bestand aus festen, mit Laufschienen versehenen Latten, mit weißer Farbe überzogen, die wie Plastik wirkte. Vorhänge schirmten das Innere ab. Angestrengt überlegten wir, welche Funktion diese Verschwendung soweit abseits ausüben könnte.


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