Der Bauer, der die Sonne stahl


Teil 1

Nach einem langen, harten Winter, legte sich die Sonne über den Schnee, um ihn zu schmelzen.
Da wurde es Frühling. In den Herzen der Menschen und Tiere erwachte neue Hoffnung auf Wachstum und Gedeihen. Alle Knospen begannen sich zu öffnen, alle Blüten versprühten sich in den schönsten Farben und alle Vögel sangen wieder ihre lieblichsten Melodien, die sich wie Geigenklänge mit dem Wind um den Erdball schwangen

UND ALLABENDLICH ROLLTE DIE SONNE EINE WIESE HINUNTER, UM SICH AM ENDE DES MEERES ZUM SCHLAFEN NIEDERZULEGEN.

Der Bauer aber, dem diese Wiese gehörte, und dem die Galle vor Neid auf seine Kollegen überlief, die Jahr um Jahr das schönste und schmackhafteste Obst und Gemüse auf die großen Märkte der Welt brachten, sann schon seit Jahren darüber nach, wie er seine Ernteerträge endlich erhöhen könnte, um auch einmal besser leben zu können.

"Was wachsen auf ihren Feldern die größten Kartoffeln!?
Was stehen in ihren Gärten die prächtigsten und weißesten Blumenkohlköpfe!?
Was prangen an ihren Bäumen die herrlichsten Äpfel und Birnen!?"
Sprach er zerknirscht zu seiner Frau:
"Auf unseren Äckern, an unseren Bäumen, in unseren Gärten und Gewässern gedeiht auch nicht nur ein Viertel so gut, dabei plagen wir uns wie die anderen, und haben aber kaum genug, um gut davon leben zu können!"

Wieder einmal war die Erntezeit vorüber gegangen, ohne daß seine Erträge den seit langem erhofften Erfolg brachten. Und da kein Geld in seine Kasse floß, sah er seine Existenz und seine Familie bedrohlich zerfallen. Da ihm aber wieder nichts eingefallen war, als das Jahr sich dem Ende zuneigte, weinte er verbittert in seine Kissen

Als er endlich die Lösung (einige hatte er schon als unbrauchbar verworfen), die Sonne mit einem Netz einzufangen, für die Beste aller je erdachten Möglichkeiten hielt, machte er sich sogleich mit Eifer an die Arbeit, um keinen weiteren Tag zu verlieren.
Er wartete unten am Wiesenrand, wo sie vor Erschöpfung jeden Abend im Meer versank.

Bauer An jenem Abend also, nur ein paar Umdrehungen bis zum ersehnten Schlaf, fühlte sie sich plötzlich eingefangen und mitgezogen.

Verzweifelt setzte sie sich zur Wehr, aber der neidvolle Bauer, der sich den ganzen Tag für diese einzige Stunde ausgeruht hatte, und sie, die am Ende eines langen Tages dem erwünschten Schlaf entgegen sank, hatte keine Chance, sich aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Denn als er das Netz über sie geworfen hatte, schoß ein rotglühender Feuerschweif, der Himmel und Erde in grellblitzendes Licht tauchte, empor.

Kurz zuckte das Licht der Mondscheibe noch einmal auf, und augenblicklich lag die Welt und das All in Nachtschwärze.

DER BAUER ZERRT DIE SONNE IN SEINEN GRÖSSTEN SCHUPPEN UND VERSCHLIESST IHN SORGFÄLTIG.
ÜBER SEIN HAUS, SEINE FELDER UND GEWÄSSER SPANNT ER EINE RIESENGROSSE PLANE, ÖFFNET DIE TÜR DES SCHUPPENS EINEN SPALT BREIT, DASS ES UNTER DER SONNE EINES EWIGEN SOMMERS WÄCHST UND GEDEIHT.

Bauer Die Menschen verharrten erschreckt und schrien ängstlich:

"Die Welt geht unter!"
Einige starrten fasziniert in den Himmel. Sie glaubten an eine Sonnenfinsternis.

Die ratlosen Menschen, auf der Suche nach der Sonne, finden einige versengte Netzstücke, woraus sie schließen, daß die Sonne von fremden Allbewohnern gestohlen wurde. Oder daß sie ganz einfach, aus welchen Gründen auch immer, davon geflogen sei.
"Wie fänden wir versengte Netzstücke, wäre sie davon geflogen, sie kann nur gestohlen worden sein!" rufen sie verzweifelt und händeringend.


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