Der Bauer, der die Sonne stahl
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Teil 2 |
Der Bauer indess arbeitete unermüdlich. In den ganzen Jahren zusammen, trugen seine Mühen noch nie so reiche Ernte.
"Frau!" sagte er wohl immer wieder voller Stolz - "Frau, diesmal machen wir das Rennen, diesmal werden unsere Früchte die Begehrtesten auf der ganzen Welt sein! Keiner wird uns übertrumpfen!"
Mit glücklicher Gewißheit, seine Ware in ein paar Stunden verkauft zu haben, macht er sich auf den Weg zum Markt.
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Morgentau perlt von den rotwangigen Äpfeln, den blutroten Tomaten, quilt aus dem Samt der Pfirsiche, hüllt Radieschenberge, Pflaumen- und Wurzelpyramieden ein, breitet sich über Petersilien- und Schnittlauchteppichen, Erbsen, Bohnen und Paprikabeeten aus. Es fehlt einfach nichts von dem, an was die Menschen gewöhnt sind. Sie müssen mich doch unter meinen Laternen sehen! Was schleichen sie so bekümmert vorüber? Ärgert sich der Bauer. Er fragt einen Mann, ob er nichts kaufen wolle. Der Mann aber möchte von ihm wissen, ob er die Sonne gesehen habe? "Die Sonne? Die Sonne? Was weiß ich! Wieso? Nun greifen Sie schon zu, bester Mann!"
Der Mann schüttelt abwesend den Kopf.
Der Bauer gibt sich nicht mit diesem unzufriedenen Menschen zufrieden. Daß sie unzufrieden sind, das sieht er im Schein seiner Lampen, unter denen sie ihn doch ganz einfach sehen müssen! Ihn, seine Früchte! Die köstlichsten Früchte auf der ganzen Welt! Er lockt den Mann abermals mit sanften Worten, doch etwas von seinen Köstlichkeiten zu kaufen. Dieser aber schüttelt wieder traurig den Kopf und antwortet barsch, daß er Wichtigeres zu tun habe, als zu essen. "Alle haben W I C H T I G E R E S zu tun, sie suchen die Sonne!" "Sie suchen die Sonne?"
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"Ja, sie suchen alle ganz verzweifelt, schicken Telegramme in andere Länder, fragen unablässig, ob dort jemand die Sonne gesehen hat, fliegen in Flugzeugen und Hubschraubern um die Welt, glauben, sie laufe vor ihnen davon, aber sobald sie in ihre Städte zurückkehren, erfahren sie, daß die Sonne den heutigen Tag wieder nicht über die Dächer gestiegen sei! Und die Zurückgebliebenen, diejenigen, die die Städte während der Abwesenheit der Suchenden bewachen, damit die Sonne nicht davon laufe, falls sie auftauche, erfahren enttäuscht, daß niemand auch nur den geringsten Schein von ihr erhascht habe!"
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