Eine Traumgeschichte von 1984/85, Teil 4

Es gab wirklich einmal eine Zeit - da muß ich weit, sehr weit zurückgreifen. Das war zu der Zeit, als die Erde sich noch im Entstehungsprozeß befand. Zu der Zeit, als die Fische der Welt noch ohne nasses Element lebten.

Zu jener Zeit gab es nämlich noch keine Gewässer auf der Erde, mußt du dir denken. Die Erde aber lieh sich einmal monatlich einen See voll von ihrem Mond, also mir. Du mußt wissen, ich bestand überwiegend aus einer Wassermasse. Fast könnte ich sagen, die Erde raubte mir schon einmal vor Urzeiten meine Existenz.
Das geschah nur in Vollmondmächten, wegen der besseren Sicht. Das Wasser rann also auf die Erde herab, füllte einen großen See. Damals hieß es noch nicht See, und Wasser noch nicht Wasser, das erfanden die Menschen erst viel, viel später. See bedeutete hinab gefallener Klecks und Wasser nannten sie Silberfalten.
Die Fische tummelten sich also einmal monatlich in Silberfalten des herabgefallenen Kleckses. Allerdings durfte ein Bad sich nicht über zwei Stunden hinaus dehnen, dazu gab es zu viele Fische, die alle einmal so richtig schwimmen und sich austoben wollten.

Als ihre Ansprüche stiegen, weigerte ich mich, mehr Wasser herzugeben. Vor allem ärgerte es mich, daß ich die Wassermengen reduziert und immer unpünktlicher zurück erhielt.
Dazu muß ich dir noch sagen, daß sich mein Mondgott Metero zu jener Zeit noch auf einem kleinen Mond, der mich beständig umkreiste, aufhielt. Er schuf sich sein Reich erst auf mir, nachdem alles Wasser von mir gewichen war. Als ein Komet meinen Mond entführte, sprang Metero auf mich herab.
   "Was machten denn die Fische auf der Erde, lebten die nicht immer im Wasser?"
   "Nein, nein, das war eine fürchterlich Sache! Die Fische besaßen noch gewaltige Stimmen. Der Erdengott hatte, als er die Fische schuf, noch nicht die Idee an Gewässer irgendwelcher Art. Zuerst begnügte er sich nämlich mit den ausströmenden Dämpfen. Er war ja auch noch im Experrimentierzeitalter. Er mußte erkennen lernen, was gut ist zum Leben und Atmen.
Es geschah jedesmal, daß sich eine tiefe Ruhe über die Welt breitete, wenn sich sämtliche Fische im Wasser tummelten, daß aber der Höllenlärm ihrer Stimmen wieder losbrach, sobald sie auf dem Trockenen zappelten. Darum baten mich die Menschen, ich möge ihnen das Wasser belassen, da ihnen der ständige Wechsel auch schon ziemlich lästig sei. Da sich meine Wassermassen sowieso drastisch verringerten, forderte ich es eines Tages nicht wieder zurück und sagte, sie sollten damit glücklich werden. Ich denke, sie sind sehr glücklich damit geworden.
Du hast mir versprochen, nach meinem Schatten, falls ich noch einen habe, Ausschau zu halten, wenn du deine Ferien auf der Erde verbringst.
Ja, Monderde, das werde ich tun! Morgen besuchen wir meine Großeltern auf der Erde, ich werde nach deinem Schatten Ausschau halten, das verspreche ich dir! Und Christiane-Christiane Friedolin freut sich so sehr, daß sie einen Kraterberg hinunter rollt und zwischen Mondjachten und Monderdfischen ins Wasser fällt. Ihre Hände erhaschen gerade noch einen rettenden Halt .....
Und sie sitzt im Bett, umklammert ängstlich das Metallgestell. - - Aber das ist sie ja selbst, dieses Mädchen! Sie springt ans Fenster, und sieht, wie der Mond hinter einer jagenden Wolke seinen Weg in die Nacht antritt.
Du hast deinen Schatten noch, lieber Mond! Winkt sie zu ihm hinauf. Und er versinkt am Erdenrand hinter einem Waldkamm: eine große silberne Scheibe, dessen Licht spielend über dem See aufglitzert.


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