Eine Traumgeschichte von 1984/85, Teil 3

Ich bin schon sehr zufrieden, sagte er zu sich, aber sie zerren an meinen Nervensträngen mit ihren Bohrungen, Sprengungen und Grabungen. Das Hin und Her stört meinen Seelenfrieden; das Tag und Nacht gehetzte auf mir herum Getrampel bringt mich ganz aus der Bahn, bringt mein Gleichgewicht ins Schwanken.
Dieser Trubel des Übereifers, besessen etwas Einmaliges zu schaffen, macht mich ganz krank!

Christiane-Christiane Friedolin Meiersberger

Ein kleines Mädchen, dessen Name Christiane-Christiane Friedolin Meiersberger ist, und welches auf der Monderde gleich im ersten Jahr unter einer der gewaltigen Glaskuppeln die Lichter der künstlichen Sonnen, die Silberscheiben der künstlichen Monde und die Dampfwolken der Sauerstoff- und Wasseraufbereiter erblickte, erwählte die Monderde sich zu dem anbetungswürdigsten Wesen. Dieses kleine Wesen ist mein Gott, sagte die Monderde und faltete ein paar Kraterberge zusammen, auf dessen Kämmen das künstliche Sonnenlicht gerade begonnen hatte, die Erde zu durchwärmen.
Meinem Mondgott Metero, der in einem tiefen Krater wohnte, haben die Menschen mit dem Wasser die Gewölbe zerstört, daher war er gezwungen gewesen, sich auf der Erhöhung eines Kraterrandes niederzulassen. Aber die Bäume, die alsbald in den Monderdenhimmel ragten, vertrieben ihn sehr bald, denn sie benötigten reichlich Wasser, und ausgerechnet Wasser konnte er nicht vertragen.
Wasser vom Himmel, Wasser aus der Erde, nein, das vertrug kein noch so mächtiger Mondgott!

Mein Mondgott Metero hat mich verlassen, klagte er dem Mädchen Christiane-Christiane Friedolin Meiersberger, welches in den Furchen seiner Mondfalten ruhte.
Aber das Kindchen Christiane-Christiane Friedolin gluckste fröhlich, denn es konnte noch nicht sprechen, wühlte mit den Händchen in der Erde zwischen den Abgelegten Bäumen und fuhr in jedes Pflanzloch das sein Vater grub, liebkoste die warme Erde: Da, da, da! Krähte es und der Vater zog es mit von Baum zu Baum, bis alle eingesetzt waren.
Dabei wuchs es heran und lauschte den Gesprächen der Monderde:
Jetzt, da ich eine Lufthülle habe, hat sich die Anzahl der Meteoriteneinschläge vermindert. Mein Mondgott ist aufgestiegen, um mit den kosmischen Kleinkörpern durch das All zu wandern. Er breitete sich um mich als Schutz vor Hitze und Kälte, und als Schutz vor Dunkelheit und grellem Licht.
Wahrscheinlich findet er einen besseren Mond, der es nicht der Erde gleichtun will. Jetzt ist mein Wissen wie ein aller Ordnung beraubter Laubbaum im Wind. Ich hätte wirklich Lust, doch noch auszuwandern, denn ich führe absolut kein mondwürdiges Dasein mehr! Solltest du einmal auf der Erde deine Großeltern besuchen, schau doch bitte gründlich nach, ob du meinen Schatten noch dort findest. Vermutlich sind Sterne verirrte Seelen, weil sie keine Schatten werfen. Mich würde schon sehr interessieren, ob ich noch einen besitze....

"Soviel ich weiß, wolltest du wie die Erde sein. Nun bist du noch viel schöner als sie! Was beklagst du dich?"
"Es ist ja keine eigentliche Klage, ich ängstige mich um die Menschen, die in ihrer Besessenheit ihren Glauben auf der Erde zurückgelassen haben. Sie haben keine einzige Kirche gebaut! Menschen leben nicht ohne Kirchen, das ist unmöglich! Oder hast du etwa eine gesehen?"
"Nein! Was ist eine Kirche?" frag ich dich.
"Da siehst du es, sie haben ihren Glauben vergessen! Das ist es, was mich beunruhigt, denn sie leben auch anders, das fällt mir auf. Sie glauben nur noch an das, was sie mit eigenen Händen erschaffen, an das was ihren Gehirnen an Genialem entspringt. Sie sind nicht in sich ruhend, sie verbreiten Hektik. Und diese Hektik stört mich, verstehst du das? Das resultiert aus innerer Unruhe, weil sie zur Einweihung der Monderde vergaßen den Papst einzuladen; nun wissen sie nicht, woher diese Unruhe kommt."

"Sie nehmen mich mir weg, saugen an Nervenenden, zersplittern und zerreißen mich, zerren, nagen, verwüsten und zerstreuen, walzen und stampfen; machen Mürbeteig aus mir, der mit klopfendem Herzen ziellos umherwandert und mit stechender, auswegloser Wut nach Unsichtbarmachung sucht. Zwar haben sie mich mit einer weichen Erdschicht und weiten, saftigen Rasenflächen gepolstert, aber ihre Unfähigkeit, nach rechts und links zu sehen, mißfällt mir, daß ich - daß ich ... sie zerhacken pausenlos meine Gedanken und Träume, lassen nichts Zusammenhängendes zu, zerstören meine Bewegungsabläufe. Kurz, ich bin ein Mond, der nicht mehr träumen darf!"


Zum Seitenanfang Zum Teil 4