Als die Wolken sich umdrehten


Teil 2

JA, UND ICH HAB DAS ZAPPELNDE DURCHEINANDER JETZT AM HALS !
"Nein, bitte (sie hauchen bitte!) füge uns in die Geschichte mit ein, jage uns nicht davon! Solange der Regenbogen mit den Wolken verkehrt herum hängt, begeben wir uns unnötig in Gefahr. Rutschen wir ins All, ist die ganze Welt verloren. Das wäre sehr traurig, das mußt du doch auch zugeben - laß uns bitte hierbleiben!"

Sie sollen mir jetzt endlich ausführlich erklären, was das für eine Sache mit den Eiswürfeln ist.
"Was ist denn das für eine Sache mit den zugespitzten Eiswürfeln?" will ich nun genau wissen.
"Man hatte uns auf diese blöde Wolke strafversetzt!" sagte das Rot grimmig.
"Sie preßten Eiswürfel aus uns, spitzten uns an, ließen uns Schneeflocken anmalen!"rief das Blau verzweifelt. "Ja, und darin erwiesen wir uns als einmalig unbegabt!" kreischte das Gelb schadenfroh. Was wir uns da zurechtmalten, war völlig unbrauchbar für Erdansprüche."
Das Violett liegt dösend im Schatten der Lampe: "Was wir da fabrizierten, mußte sogleich in die umgekehrten Wolken entsorgt werden, daß es mit ins All strömen konnte. Die Milchstrassenmenschen freuen sich sicherlich über bunte Schneeflocken, meinst du nicht auch?"
"Die Menschheit ist zu anspruchsvoll. Zum Glück aber auch, das war eine total unbefriedigende Beschäftigung, aus der wir uns unbedingt fortstehlen mußten." wispert das Grün dramatisch:"und nun schweben wir durch die Atmosphäre deiner Geschichte, die uns beiweitem viel, viel besser gefällt!"
"Aus welchem Grund hatte man euch denn strafversetzt?" Meine Neugierde kribbelt jetzt auf den Wangen und ich vermute, auch in den Augen.
"Nun ja, es war eben mal keine Regenbogenzeit, da wollte man uns beschäftigt wissen, Mist! Ausgerechnet Schneeflocken anmalen. Ebensogut hätte man uns den Auftrag erteilen können Blüten ins Himmelsblau zu malen, das hätte mir auf alle Fälle Spaß gemacht. Stellt euch vor - rote Märzbecher, violette Schneeglöckchen,blauen Senf ... ach, das wären phantasiereiche Stunden geworden!"

"Z U R Ü C K   I N   D I E   W I R K L I C H K E I T !"
mahnt das Rot. Das Elend breitet sich aus, Eile ist geboten - dir bleibt keine andere Wahl, als uns endlich zur Wolke Jeremia zu führen, um das Unheil von der Welt zu nehmen!"
"Ich soll ins Weltgeschehen eingreifen!? Das ist ungeheuerlich, das ist eitel und anmaßend - ich sagte doch bereits, daß ich ...
"Nichts da - die Wolke Jeremia hast du in deinem Notizblock versteckt, raus damit - führ uns endlich dort hin!"
WAS SOLL ICH MACHEN ?
Mir bleibt nur, vorerst einmal das Notizbuch auf den Schreibtisch zu legen, um zu sehen, wie sich die Sache entwickelt ...
Kaum berührt es die Holzplatte, springen die Farbklecksgestalten zwischen die Blätter, daß die Seiten nur so rascheln ... ein Gezischel setzt augenblicklich ein - die Heftseiten flattern; es scheint, als flögen sie davon - wird heftig hin und her gerissen, herumgeschleudert, bis es schließlich nach all den Purzelbäumen auf dem Teppich landet ...
DANN TAUCHEN SIE NACHEINANDER AUF
Vorsichtig schieben sie sich aus den Seiten hervor. Alle haben rote Köpfe von der übermäßigen Anstrengung, nur das Rot nicht, es ist jämmerlich blaß ... "sie ist weg!" brüllt es:"sie ist weg, die Wolke Jeremia ist weg!"
DAS ROT ERWACHT WIEDER ZU ROTEM LEBEN
So müde und abgehetzt sie nach der vergeblichen Suche aussehen, (ich vermute, sie werden gleich ein Schläfchen machen) so hurtig springen sie an die Tapeten, um sie ungeachtet meiner Einwände, von den Wänden zu reißen ...
"WIR MÜSSEN SIE SUCHEN, ÜBERALL, ÜBERALL ..."

Nach drei Stunden keine Spur von der Wolke, nur Spuren der Verwüstung.
ICH FLÜCHTE MICH IN EINEN NERVENZUSAMMENBRUCH
Aus der Aufregung kam ich einfach nicht mehr raus. Es war ziemlich zu Beginn, du weißt, als sie sich bei mir eingenistet Klicken Sie hier für die grosse Darstellung
hatten, da waren sie ganz wild auf die Balkonbrüstung: "Sowas Tolles haben wir noch nie gesehen!" Und sie wieselten hin und her, sprangen raufundrunter, machten vergnügliches Regenbogenschlagen. In ihrem Übermut vergaßen sie aber, sich oben richtig festzuknoten - und ein verirrter Regentropfen der sie durchnäßte, warf sie allesamt ins stechende Gesträuch, wo sie zu zerfliessen drohten. Ihre Hilferufe schallten über die Dächer, und ich mußte sie wieder einmal unter der Schreibtischlampe trocknen. Aber das war nichts gegen den Tag, an Klicken Sie hier für die grosse Darstellung welchem sie während meiner Abwesenheit aus der Wohnung ein REGENBOGENKABINETT machten.
Sie sagten mir, es läge ihnen nun mal so im Blut, ich solle mich über solche Kleinigkeiten nicht unnütz aufregen.

Nach einer Schlafpause ....

Sie beginnen, sich wieder zu regen.
"Es ist so entsetzlich langweilig," nörgelt das Gelb:"du oder sonstwer ist ein Geschehnisstopper!" fügt es vorwurfsvoll hinzu. "Ich möchte etwas erleben - alles in Gelb tauchen, daß Farblehren überflüssig werden und nur noch gelbe Schmetterlinge über gelbe Himmel flattern."
"Du solltest dein Gelb lieber für den Regenbogen aufheben!" tönen jetzt alle durcheinander.
"Glaubt ihr, er kommt jemals zurück? - ich meine doch, wo er am unteren Rand der Welt festgenagelt werden mußte und wie Spaghetti ins All hängt."
Klicken Sie hier für die grosse Darstellung Schon sitzen sie wie angewurzelt vor dem Fernseher. Satelliten funken Bilder vom völlig ausgemergelten Regenbogen zur Erde, der wie weichgekochte Spaghetti, farblos ins All baumelt.
Bald schon werden sie wieder von Langeweile geplagt.
"Warum spielt ihr nicht Garagen-, Müllkübel- oder Containerbemalen!" sage ich, um sie zu beschäftigen.
Doch sie sammeln viel lieber aktuelle Zeitungsausschnitte.
"In deinem Horoskop steht, du solltest Nachforschungen gründlich betreiben, sonst könntest du dich in eine falsche Idee verrennen." Sagt das Rot und klopft ungeduldig auf dem Artikel herum: "Sag, hast du dich etwa schon verrannt? Sieht mir so aus! dir scheint es an hellen Ideen zu mangeln, haaa! ha?"
"Du hast gut Reden!" sage ich empört:"Mit euch habe ich mir nur Unannehmlichkeiten eingehandelt!"
...JAJAJA, HÄTTE ICH DIE WOLKE JEREMIA NUR IN DEN PAPIERKORB GEWORFEN !!!
und die Farbgestalten, diese scheusaligen Regenbogenanstreicher hätte ich in ihrem leuchtenden Unglück sich selbst überlassen sollen. Vielleicht wären sie heute bereits auf dem Weg in die Milchstraße und ich müßte mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, wieso ich sie nicht einfach mit dem Badewasser weggespült habe.
Ich hätte sie auch unten im Gesträuch liegen lassen sollen, als sie vom Balkon fielen. Ja, das hätte ich machen sollen! Habs leider nicht fertig gebracht - das hab ich nun davon:Scherereien, Ärger, Unruhe, Unordnung -
(dreimal mußte ich meine Wohnung renovieren lassen!)
Das Gelb hätten die Hunde längst aufgeschleckt, das Rot mit einem der vielen Drachen am Meer in den Himmel geflogen, das Grün mit der Petersilie zerhackt, das Blau in den Himmel geschleudert, um Sommern, die blaß bleiben ein kräftigeres Kleid überzustreifen und das Violett hätte ich mit Freuden in Tantes Kleid mit einbügeln sollen - richtig fest und mit heißem Eisen unter die Pailetten, damit`s niemals mehr herauskrauchen kann!
Die größte Strafe wäre allerdings wieder in die Geschichte der zugespitzten Eiswürfel verbannt zu werden, um weiterhin sämtliche Schneeflocken einzeln anzumalen, dann wären sie lebenslang nur mit dieser Aufgabe beschäftigt und könnten keine Dummheiten mehr anstellen.
DER SCHNEE WÄRE NICHT MEHR SO EINTÖNIG UND FARBLOS LANGWEILIG. OH, DAS WÄRE SCHÖN !
Aber ich hab`s ja unterlassen. Hinterher nützen alle Wenn`s und Aber`s nichts mehr. Ha, aber gedroht hab ich ihnen, sie in ihre Geschichte mit den Eiswürfeln zurück zu schicken. Dann wurden sie ganz klein und waren für einige Stunden folgsam. (Sie machten meine weißen Röcke und die Türen nicht bunt, malten meine Schuhe nicht streifig oder kariert. Ich konnte dankbar sein.
Einmal hatte das Rot alle Fensterscheiben angemalt. Ich wurde fast verrückt!
Sie kicherten:"Aber das ist doch überhaupt kein Problem, falls dir das Rot an den Scheiben nicht gefällt, zaubern wir sie Klicken Sie hier für die grosse Darstellung einfach grün - oder violett - wähle, los, wähl schon!"
"Ich will keine bunten Fensterscheiben!" schrie ich wütend!
"Dann also blau", krächzte das Blau:"das paßt sowieso besser zum Himmel, sieh dir das Grau an, das ist nichts! Blau also!" sagte es wichtig - und schon sah ich das Grau nicht mehr ...
"Was meinst du," fragt das Grün nachdenklich: " ob wir eine Wolke kaufen können?"
"Wolken kann man nicht kaufen." sage ich belustigt und gerührt zugleich wegen der Verzweiflung in der Stimme und in den kleinen Augen.
Die kleinen Farbwichtel horchen auf, umringen mich und das Grün hoffnungsvoll.
"Außerdem muß es ja die Wolke Jeremia sein," wagt sich das Rosa vorsichtig hervor:" das ist von größter Wichtigkeit."
"Ja, ja, eine andere wäre keine Lösung!"
"Wo glaubst du, könnten wir denn eine Wolke kaufen?"
"Ich dachte, vielleicht im Wolladen," antwortet das Hellgrün schnell - "war nur so`ne Idee."
"Ideen sind meistens gut, "übertönt das Rot die murmelnden Gestalten und beschließt:"Du nimmst uns mit zum Einkaufen!" Sie sind sich einig, werden plötzlich total verrückt, flechten ein buntes Netz und werfen es mir mit gekonnter Eleganz über die Schultern. Das macht mich ganz stolz - sowas Schönes habe ich noch nie besessen.
Auf meinen Schultern, in den Jackentaschen, im Haar, am Kragen und in den Ärmeln krabbeln sie kichernd und albernd herum, daß ich mich dauernd kratzen muß. Die Leute in den Läden gucken mich überrascht an und ich werde rot und blaß - und platze fast vor Wut.
"Jetzt machen wir Punkte, wenn`s dich langweilt." rufen sie quietschend und - schwupp - sind die Streifen gelöst und die Lebensmittel plumpsen auf die Straße.
Zunächst reagieren wir erschrocken und ratlos, dann aber springen sie vergnügt zwischen den zermalmten Eiern umher und meinten, so schlimm sei es nun auch wieder nicht, daraus ließen sich vorzüglich Rühreier machen.
"Von der Straße - mit Sand?" zischte ich: "mit Sand? Ihr Halunken!" und fische das Gelb aus den Fugen des Gehweges, bevor die Hunde es auffressen.
Das neue Netz besteht nun aus Punkten. Verunsichert schichte ich Konserven, Keksschachtel, Butter, Milch und den leeren Eierkarton hinein. Das Gelb halte ich in der Hand. Hunde schlecken gierig die Reste von der Straße.
"Zum Einkaufen werde ich euch ganz gewiss nie wieder mitnehmen, das könnt ihr mir glauben, - glaubt mir das, glaubt mir das." Aber wenn ich daran denke, was sie aus meiner Wohnung schon alles gemacht hatten, würde ich sie lieber in der Manteltasche einnähen. Oder ich stopfe sie das nächste Mal in eine dunkle Flasche - sie werden sich noch wundern!
Siehst du, Gelb, jetzt hätten dich die Hunde längst aufgeschlürft - und bei dem Gedanken werde ich sehr glücklich und milde gestimmt. Es liegt geborgen in meiner Hand, ich muß es behüten.
"Du mußt die Geschichte unbedingt neu schreiben," rufen sie aufgeregt durcheinander, als wie endlich auch nach ergebnisloser Frage im Wollgeschäft, zu Hause angelangt sind.


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