Als die Wolken sich umdrehten


Teil 1

Ich hatte all meine Geschichten, die wie Blei in den Schubladen lagen und sie unnötig verstopften, verbrannt.
Nichts sollte mich mehr daran erinnern, ich wollte endlich meine Ruhe vor den wirbelnden Figuren haben - den ewigen Störungen, Quengeleien und manchmal auch Bösartigkeiten - und der Suche nach einem Verleger.
Keine der Figuren wollte ich mehr sehen, mit keiner wollte ich mich auch nur noch ein einziges Mal unterhalten.
Aus, aus, aus!
So befreite ich meinen Schreibtisch von den Zentnerlasten. Auf, in und um ihn herum sollte mich nichts mehr an all die ausgestandenen Qualen erinnern. Klicken Sie hier für die grosse Darstellung

ICH WOLLTE NIE WIEDER SCHREIBEN! NICHT MAL EINEN EINKAUFSZETTEL!

ABER DA FÄLLT MIR DIE WOLKE JEREMIA VOR DIE FÜSSE!

Auch weg!       Warum?       Weil ich nicht mehr will!
Aber ich habe mich noch niemals mit ihr unterhalten, das könnte doch interessant werden.
Doch nicht weg, ab damit ins Notizbuch, da stört sie vorläufig niemanden!
Was sagt sie dazu?
Wozu sollte ich sie um ihre Meinung fragen?
Buch zuklappen, basta!
OHOHOH, ICH ARME, HÄTTE ICH SIE NUR IN DEN PAPIERKORB GEWORFEN,
DIE WOLKE JEREMIA !!!

Welch ein Glück für die Menschheit, daß ich es versäumte !

Als die Wolken sich von der Welt abkehrten, da begann sie total durcheinander zu geraten. Das geschah zu dem Zeitpunkt, als ich meine anderen Geschichten verbrannt hatte, alle, du weißt ja, weil ich endlich meine Ruhe vor den Quälgeistern haben wollte.

WIE SOLLTE ICH AUCH AHNEN, DAß NOCH VIEL MEHR UNRUHE UM MICH SEIN WÜRDE ?

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Zunächst machte ich einen ganz harmlosen Spaziergang. Ich betrachtete besorgt das dürre Land, das welke, von breiten Rechen zusammengekehrte Laub, die ausgetrockneten Gewässer, die durstenden Menschen, das hungernde und dürstende Vieh; - und die Wolken, ja, die Wolken von oben.
Wirklich von oben, sie hatten sich ja aus unerklärlichen Gründen herumgedreht und versprühten den kostbaren Regen einfach ins All als wäre das nichts, als koste es nichts. Keiner weiß heute mehr zu sagen, wie es geschehen konnte, daß die Wolken sich plötzlich umdrehten und das kostbare Naß ins All schütteten.
"Es regnet, es regnet, die Sonne wird naß!" sangen die Kinder.
"Der Regen wird die Sonne auslöschen!" riefen die Menschen verzweifelt und von Angst getrieben, erfanden sie Flugzeuge mit Regendurchschneidemessern, die dicht über den Wolken flogen, den Regen durchschnitten, damit er zur Erde zurückfallen sollte.
ABER DER SAUSTE UNGEHINDERT WEITER INS ALL !
Auf dem Mond bildeten sich Seen, die ihn eines Tages überschwemmten. Die Sonnenglut wurde ja auch so gemildert, daß das Wasser auf dem Mond weniger verdampfen konnte.
Wilde Flammen schossen aus der Sonne, deren Zischen den Menschen wie Donner in den Ohren klang.
UNHEIMLICH!
Man fragte sich, was denn die Wolken so traurig gemacht haben könnte, daß sie sich von der Erde abwandten?
Haben sie vielleicht ein größeres Glück auf der anderen Seite gefunden?
TAUSEND FRAGEN, ABER WER SOLLTE SIE BEANTWORTEN ! ?

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In einem Land erfand jemand die Wolkenumdrehmaschine, die nach dem Prinzip eines Grills funktionierte.
In anderen Ländern wurden große Plastikbehälter über die Wolken gestülpt, so daß sie zwar ausregnen konnten, der Regen aber ungehindert auf die Erde fließen konnte.
Das machten dann sofort alle nach. Zum Glück, denn die Welt begann bereits zu verdorren. So wurden also die Behälter von ausgeregneten Wolken auf prall gefüllte gestülpt. Was eine wahnsinns Arbeit verursachte, aber sie brachte den Regen und Mensch und Tier das Glück zurück. Kurzweilig zwar, aber man würde weiter ausbauen. Ich überlege natürlich auch angestrengt, was man alles noch machen könnte - an gescheiten Ideen mangels natürlich. Klicken Sie hier für die grosse Darstellung

Aber das ist wohl auch mehr ein Thema für Wissenschaftler.
Prof. Dr. Dr. Tipperie, die mit der Aufgabe künstlichen Regen herzustellen betraut wurde, mußte allerhand Spott über sich ergehen lassen. Einige Leute verlachten sie als Hokuspokusfrau.
"Ach, "DIEHOKUSPOKUSFRAU" schleudert mit Keulen umher und zaubert mirnichtsdirnichts Regen aus der Luft?!"
Solche böswilligen Bemerkungen schob sie mit einem Lachen weit weg: "Aber das sind die Neidvollen, die weiter nichts zustande bringen."
Ich habe mich also zu einem Spaziergang durchgerungen, stelle Überlegungen an, schau sehnsüchtig "a u f" die Wolken und ärgere mich über die Ungemütlichkeit auf der ausgehungerten Welt.

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Hinter einem Feld hängt der Regenbogen wie eine große Schale. Auch so eine Sache. Grau ragen die Bogenenden ins All, scheinen ins Leere zu greifen.
Sehen aus, wie hilfesuchende Hände.
L E E R G E B L U T E T !
Was soll ich sagen, der Weg führt mich dieser Schale entgegen, je weiter ich ausschreite. Und ich schreite sehr weit aus, schneller und schneller. Ich muß den Regenbogen befühlen! Die Schale schwebt dicht über dem dürren Kornfeld. Mein Schritt wird zögernder, je näher ich dem Ziel komme.
In der Schalenmulde leuchten die herrlichsten Farben ! Verzauberung ! Atem anhalten !
E I N   W U N D E R !
     STIMMEN!
     STIMMEN?
Sie rufen um Hilfe - klingen ängstlich, kreischen fürchterlich. Suchend tastet mein Blick über das dürre Feld, hinüber ins ausgetrocknete Gesträuch, weiter zum kahlen Wald. Aber die Stimmen ertönen ganz in meiner Nähe. Verzweifelt halten winzige bunte Gestalten sich an faserigen Halmen fest, umklammern sie jämmerlich schreiend.
Hier also! Mit einem Satz stehe ich unmittelbar vor dem Farbkelch. "Hilf uns, so hilf uns doch hier raus, sonst rutschen wir ins All - wir können uns kaum noch halten!"
Schnell fahre ich mit den Händen hindurch und schiebe die kleinen bunten Regenbogenanstreicher aus ihrer verzweifelten Lage. Völlig erschöpft purzeln sie mir vor die Füsse.

"Wir sind die Farben des Regenbogens!" rufen sie wild und glücklich, dem Abrutschen ins All entkommen zu sein. Ich trage die kleinen durchfrorenen Gestalten nach Hause, lege sie zum Aufwärmen unter meine Schreibtischlampe.
"Man hatte uns strafversetzt, auf die Wolke der zugespitzten Eiswürfel!" beschweren sie sich seufzend.
"Was bedeutet das?" will ich wissen.
"Na, deine Geschichte "DIE ZUGESPITZTEN EISWÜRFEL!"
"Nein", sage ich, ich habe keine solche Geschichte geschrieben, außerdem habe ich vor einigen Tagen sämtliche Geschichten verbrannt, glaubt mir, ich schreibe keine mehr, niemals!"
"Aber wir müssen unbedingt in der Geschichte ALS DIE WOLKEN SICH UMDREHTEN mitwirken, dadurch helfen wir dir und du hilfst der Welt; wir sind quasi die einzigen, die mit deiner Hilfe das derzeitige Chaos beseitigen können!"
"WIR BRAUCHEN EINEN NEUEN REGENBOGEN"
"Es gibt keinen Regenbogen mehr?" frage ich resigniert.
"Du mußt der Welt helfen, den Regenbogen zurück zu gewinnen, dann gibt's auch wieder Regenbögen satt - wir wissen ganz genau, was sich da oben zugetragen hat - " schwirren ihre Stimmen durcheinander.
"Wir hatten Angst, mit ins All gespült zu werden, darum haben wir uns schleunigst in die Mulde begeben, als der Regenbogen umkippte. Klicken Sie hier für die grosse Darstellung
Das war unsere Rettung - und das ist auch die Rettung der Menschheit - du mußt uns helfen, dann können wir dir helfen, wieder alles in Ordnung zu bringen. Dazu ist es nötig, alles über die Wolke Jeremia zu erfahren.
Ach herrje, "D I E   W O L K E   J E R E M I A" , die liegt in meinem Notizbuch. Was soll ich mit ihr machen, und was hat sie mit den umgedrehten Wolken zu tun?
"Außerdem - wißt ihr, ich will keine Figuren aus Geschichten mehr bei mir beherbergen, darum bitte ich euch innigst, sobald ihr euch gestärkt habt, meinen Schreibtisch und meine Wohnung zu verlassen."
Sie protestieren mit wilder Entschlossenheit, keinen Schritt von meiner Seite zu weichen: "Aber du kannst uns nicht hinauswerfen! Wir sind dir unendlich dankbar für unsere Rettung - wärest du nicht erschienen - unsere Kräfte waren verzehrt, die Mulde entpuppte sich zur Falle! - viel leichter hätten wir ins All gerissen werden können, als allein aus der Mitte der Mulde auszubrechen!"


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