Der Streit


IM SCHEITERN EINER BEZIEHUNG
LIEGT SCHON VOR DEM SCHEITERN
EIN SCHEITERHAUFEN


17.09.07

Fünf Tage zählte sie nun schon die Kalkpickel an der getünchten Wand. Fünf Tage, und ihn wollte sie nie wieder sehen.
Wenn man ganz konzentriert die Augen auf einen bestimmten Punkt richtete, warfen die kleinen Kalkpickel winzige Schattenhügel, die abends, wenn die Lampe leicht hin und her schwang, nach links und nach rechts huschten, als vollführten sie einen wilden Tanz.
     ..........sie versuchte sich vorzustellen, wie das alles hatte passieren können - - sie hatten sich gestritten, warum, und worum eigentlich? Sie hätte es nicht sagen können.
Vom Bett aus sah man Figuren, Muster und Formen und sie versuchte, die inzwischen vertrauten Figuren herauszufinden.
Mittags schwamm das Fensterkreuz schattig über die Wand und vedrängte die zusammen gesuchten Bilder.
     ..........Schuld, ja, er hatte die Schuld. Nein! Nicht, ihn traf nicht die geringste Schuld!
Warum wollte sie ihm die zuschieben? Sie hatten sich angeschrien wegen irgendwelcher Nichtigkeiten und kamen den Stufen unmerklich näher ..... als sie keinen Halt fand, als ihr Schreien sich in seinen und ihren Entsetzensschrei verwandelte, war es zu spät, zu spät, um noch zurückzuspringen, da war nur sein entsetztes Gesicht, sein Körper, der, wie der ihre vergeblich nach Gleichgewicht suchte, seine Hände, die noch versuchten, sie zu packen ..... aber sie schlug auf, fand irgendwo Halt, die Wucht des Sturzes riß ihre Finger los, sie stürzte weiter, bis sie schmerzverzerrt liegen blieb.

Irgend ein Licht, - und sie nahm jetzt erst wahr, daß es die Sonne war, - warf den Schatten des Arztes über ihr Bett und strahlte die Anderen, die auf der anderen Seite des Bettes standen, hell an; aus fröhlichen Gesichtern schloß sie, daß mit ihr alles in Ordnung sein mußte .....
"Ein paar Tage, dann ist alles wieder vergessen." sagten sie, und daß sie großes Glück gehabt hätte.
     ..... der Schmerz hatte sie betäubt, ihr die Sinne geraubt und in diesen betäubenden Schmerz schrie sie hinein: "Du bist Schuld!"
Eine unebene Stelle an der Wand war der Schatten vom Raubtierzoo - da gab es eine große Krake, mit Armen, die sich zu bewegen schienen. Nur an trüben Tagen war da nichts, die Wand blieb leer, grau. - sie hatte keine Schatten, - nichts, wonach sie suchen könnte, nichts, was sie finden würde.
Sie nahm Abschied von den ihr so vertrauten Kalkpickeln, dem Fensterkreuz, das noch ganz vorn in der Morgenecke hing, schräg, als wäre es traurig.
Vor dem Portal wartete ein Taxi auf sie.
Drüben, auf der anderen Seite, am Rasenstreifen, saß er rauchend im Auto. Er trat flüchtig auf die Zigarette, eilte mit schwingenden Schritten zu ihr hinüber und öffnete den Wagenschlag: "Ich wollte dich abholen Liebling, du ..... du tust mir Unrecht .....!"
Sie wollte ihn immer schon mal gefragt haben, ob er sie eigentlich geliebt hatte - jetzt war es zu spät, sie zog die Tür zu, drehte sich nicht um als das Taxi anfuhr ...


10.01.89


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