... aber als ich meine Gedanken dringend benötigte ...

IN GEGENWART EINES GESPRÄCHS INTELLEKTUELLER


Das Angespannte fällt von meinem Gesicht.
Als ich meine steifen Gedanken in das Duell ihrer Worte strecke, bleiben sie im undurchdringlichen Treiben der Erinnerungen stecken. Verwirrt blicke ich um mich, aber alle zurück- und vor mir liegenden Wege bleiben verschlossen, ausgesperrt, kleinen zerschnittenen Brücken gleich. Über den Abgründen der Straßen hängen zerfetzt, an hoch aufgerichteten Stangen flatternd, bunte Tücher meiner Bemühungen.
Die alten Gedanken schreiten ungeduldig um mich herum, blicken fast sorgenvoll. Bilde ich mir ein, von Schadenfreude oder gar Bedauern gestreift zu werden?
Sicher könnten sie mir behilflich sein, wäre nur der Riegel aller unwissenden Verkettungen zu lösen. Ich tauche zappelnd, nach Luft ringend ins Dunkel, klimme verzweifelt empor, nach den Fetzen meiner Erinnerungen haschend. Unaufhaltsam gleite ich zurück ins Dunkel, in erbarmungsloses Vergessen. Rase auf den Lichtstrahl am Horizont zu, der sich als gaukelnder Kobold, mit possenreißender Grimasse erweist.
Mit aller Macht will ich ihn packen, ausquetschen, etwas vom ewigen Spiel der Gedanken erfahren. Sie tauchen nacheinander und gleichzeitig auf, versinken, tanzen herbei, wirbeln um mich herum und durch mich hindurch, necken, foppen, beginnen zu quälen, martern.
Möchte sie plötzlich zerreißen, verjagen, austauschen gegen einlullende Dunkelheit, beruhigenden Schlaf, der mir nichts abverlangt.
Aber sie tanzen unablässig auf und nieder, springen zurück, Dunkel hinterlassend, es wieder und wieder überdeckend mit quirrligem Licht.
Ich schwebe zwischen kreuzenden Augen, explodierenden Mündern, hochgeworfenen Armen, hitzig sich neigenden und ruckenden Körpern, zupfe einige bekannte Worte heraus, schlage Buchstaben unter die Zunge, drehe und wende sie, zerbeiße, ruhe eine Weile ausgestreckt über einem, das mir nicht geläufig ist, tauche beschämt auf grünen Meeresgrund, pflücke Münder aus der Mitte des Raumes, Augen. Plötzlich tanzt der Raum; ein Bein schiebt sich aus einer Ecke, macht ihn kopflastig.
Augenlose Gesichter fließen durch die Wand meines Blickfeldes, schweben zu den angehefteten Mündern, vereinen sich, rücken zurecht, irren umher, graben sich ein, stellen sich quer, flirren samtig wie Treibgut im Wirrwarr zerstiebender Wellen.
Trauben ziehen vorüber, Trauben zu Wolken geballt. Ich muß mich entscheiden, und hoffe auf Regen. Regen der mich ablöst .....


23.2.86


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