Eine Traumgeschichte, Teil 2

Am nächsten Morgen sitzen sie sich gegenüber. Sein Gesicht sieht aus, wie ein Runzelgreis. (So sah es noch oft aus, wenn sie ihm nicht paßte) Er giftet : "Ich könnte dir die heiße Tasse Kaffee in die Fresse gießen!"
Sie völlig verunsichert, ausgewischt wie ein Fleck, der sich nicht ganz beseitigen läßt. Haßt sie es darum, wenn er mit gespreizten Fingern Kaffee trinkt? Wenn er auf Fotos so süßlich maliziös lächelt? Wie trank er seinen Kaffee vorher? Auf Fotos sah er immer nett aus, wenn er nicht wie oben ...
Und sie, wie hält sie die Tasse, wie trinkt sie den Kaffee - so, daß er sie hassen muß? Was soll sie nun tun? Sie zittert und weint, schlägt nach allen Seiten aus, die Flecktinktur zu schlucken, die er so ätzend verschüttet.
Ein aufquellender Fluchtmachanismus schlägt Purzelbäume, kreuz und quer, nach hinten, zur Seite, nach oben - wohin!?

ABER  DIE  BABYS  WEINEN  IM  ANDEREN  ZIMMER !

Sie hatte von nun an noch mehr für ihn da zu sein. Schließlich hatte sie einen ungehörigen Wunsch geäußert!
Zu ihrem Besten, durfte sie nichts Eigenständiges denken, wurde unablässig kontrolliert - was denkst du? Woran denkst du? Lieblos wie in allem, wurde sie auch besprungen, durfte weder Wünsche, Vorstellungen, Ängste oder gar Freude äußern, Das wäre am verdächtigsten, Freude zu zeigen. Also mußte sie sich totstellen. Sie bemühte sich um Gehorsamkeit. (aber meistens hatte sie eine insgeheime Freudenquelle) War sie nicht tot genug? Nur nicht zeigen! Sonst war sie keine gute Frau. Und wenn sie keine gute Frau war, würde er nicht lieb sein. Und wenn sie eine gute Frau war, müßte er doch lieb sein!

OB  SIE  NUN  LIEB  ODER  NICHT  LIEB  WAR,  LIEB  WAR  ER  SO  ODER  SO  NICHT !

Sie hatte ganz einfach auf dem Fleck, auf dem er sie morgens zurück ließ, noch am Abend zu hocken; jede Art von Aktivität hatte sie sofort im Keime zu ersticken, drückte das Verlangen danach doch Unzufriedenheit und Ungenüge mit dem, was er ihr bot, aus.
       So fühlte sie ihre ungeheuren Kräfte mehr und mehr schwinden, fühlte sich müde und ausgelaugt.
             Und ihre Propellerarme erlahmten allmählich.
"Ich möchte mal in ein Museum."
"Museum ist hier! Hast du meine Hose endlich heil gemacht, und die Jackentasche eingenäht!?"

So vergingen viele Jahre, in denen sie sich mehr und mehr aus den Augen verlor: das war das Schlimmste an der Sache, daß es ihr von Zeit zu Zeit nicht gelingen wollte, sich wiederzufinden Ich habe ständig so viele Eingebungen, die ich vor lauter Unwissenheit nicht richtig nutzen kann, denkt sie - wo und wie finde ich mich täglich wieder?
Sehr oft saß sie am Fenster und sah den Leuten nach, die Hand in Hand oder eng umschlungen vorübergingen: "Ach," seufzte sie sehnsuchtsvoll - und sie mochte es kaum aussprechen, denn sie schämte sich für Wünsche, die absurd klangen, die er mit einer Handbewegung wegwarf. Aber sie sagte es doch, sie sagte tatsächlich - und das auch nur, weil Ichwillmeineruhe nicht anwesend war: "So möchte Dubrauchstnichts auch mal mit Ichwillmeineruhe gehen!" Sogleich zuckte sie unter der Wucht des Wunsches zusammen und sie fühlte seinen höhnischen Blick auf sich gerichtet und hörte es ganz deutlich: "Dubrauchstnichts, Ichwillmeineruhe!" Das fraß an ihr - das ständige Nichtbeachtet- und Weggeworfenwerden; sie waren Schweigende im Igelpelz.
Wenn sie ein paar Tage auf ihren Körper achtete, so, als würde er geliebt, regenerierte er sich zusehends.
Meistens aber vernachlässigte sie ihn, weil er keine Zärtlichkeiten erhielt; sie fiel in alte Gewohnheiten, Depressionen und Resignation zurück - eigentlich ohne ersichtlichen Grund, dachte sie und begann, sich aus der Tiefe emporzuarbeiten in ein gleißendes Licht der Hoffnung.
Wenn Ichwillmeineruhe von der Arbeit kam, dachte sie, hoffentlich fällt mir nicht wieder ein Teller aus der Hand oder ein Topf in den anderen, weil ich vor lauter Angst so ungeschickt herum hantierte.

Aber dann war sie glücklich, wenn Ichwillmeineruhe nach den Kindern rief, um sie zu beschenken. Das Glück traf wie ein Sonnenstrahl ins Herz.
An der Tür empfing er sie mit den Worten: "Dunicht, geh!" So ging Dunicht jedesmal leer aus.
"Duja, komm! Und Duhastschon, schau!" dabei wies er auf ihr viel zu klein gewordenes, zerschlissenes Kleidchen: "Geh, sofort!"
"Sieh doch endlich!" rief Duhastschon voller Verzweiflung.
"Aber Duhastschon, Kind, geh!" und er wies mit strengem Finger auf die viel zu kleinen und ausgetretenen Schuhe an ihren Füsschen.


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