Eine Traumgeschichte, Teil 1

War es vor einem Jahr? War es vor einhundert Jahren? Da verliebte sich ein junges Pärchen ineinander.
Sie feierten eine kleine Hochzeit und bekamen bald darauf Drillinge.
Der Mann sagte, als er ihre Hände und Füsse fesselte, es wäre gut, so könne sie sich nicht fortbewegen und müsse für ewig bei ihm bleiben. Die junge Frau fühlte sich sehr unglücklich, hatte sich jedoch nicht getraut, die Hochzeit rückgängig zu machen, obwohl er ihr androhte, ihr den Kopf abzuschlagen, damit sie an nichts mehr denken solle, außer an ihn. Außerdem sagte er voller Hohn und Zynismus, werde er sie ab jetzt hier auf diesem Küchenstuhl für alle Zeiten festnageln - mehr hätte sie nichtzu erwarten.

So war es dann auch.

Sie könnte ein guter
Menschsein, denkt sie,
ließen sich aus dem Charakter negative Gedanken, Ängste, falsche Vorstellungen und Hoffnungen ausschalten ; aber ohne Hoffnungen stirbt man, also fühlt sie sich weiterhin verpflichtet, diejenige zu sein, die auch unter noch so schwierigen Bedingungen sozial funktionsfähig bleibt.
Eines Tages wird es ihr schwerfallen, sich all der Worte zu erinnern, die sie nutzlos und ungehört ins Lebensgeäst warf und sie breitet die reduzierten Jahre vor sich aus, die verwundet unter ihr liegen.

Sie ist eine Frau wie du und ich, auch wenn sie sich in mancherlei Hinsicht natürlich von dir und mir unterscheidet, denn sie ist dazu verdammt (oder erniedrigt worden), ewig und ewig die selben Tätigkeiten zu verrichten. Was uns natürlich niemals passieren könnte! Oder?
Hinzu kommt noch, daß sie meine beste Freundin ist, und damit werde ich
ständig mit ihren Sorgen und Kümmernissen überhäuft, daß ich mich
manchmal resigniert frage, ob wir nicht doch alle auch ein Stück von ihr
in uns tragen. Wenn ich manchmal sage, daß sie sich selbst blockiert,
weint sie und ich stehe hilflos, nach tröstenden Worten suchend da, bis ich schließlich auch in Tränen ausbreche.
Was ist mit deiner Frau - und meiner Freundin los, will ich eines Tages von ihm wissen.
Er schreit mich unwirsch an: "Hau ab, ich will meine Ruhe!" und voll unbändiger Gehässigkeit schreit er meine Freundin in einem Atemzug gleich weiter an: "Heul nicht ! - fehlt dir etwa was ? Du brauchst nichts!"
So. Das wäre es dann.
Nun haben die Heldin DUBRAUCHSTNICHTS und der Held ICHWILLMEINERUHE ihre Namen, die er sich und ihr großzügig gab.
Ich hoffe, die Aufzeichnungen der Geschichte sind vollständig und entsprechen annähernd der Wahrheit.
Und da du sicherlich gründlich das Vorwort studiert hast, kann ich gleich ohne weitere Umschweife mit der Geschichte beginnen.

Was das für Tage sind, an denen aber auch alles schief läuft ; denkbar ungünstig für langzeitige Urlaubspläne
oder kurzweilige Ruhephasen; denkbar ungünstig auch für ein Gespräch ...
Für Gespräche ist die Zeit sowieso seit jeher ungeeignet.

(darum will sie ja auch nur ein Gespräch! Würde er doch endlich mal die Ohren spitzen!)
Wie gesagt, ungeeignet - so auch heute wieder. Was sollte sich aber auch ändern - ? "Wenn wir schon wieder keinen Urlaub machen, so laß mich wenigstens mal für ein paar Tage ausspannen !" sagt sie.

UND  SO  FING  ALLES  AN,  NACHDEM  SCHON  JAHRELANG  ALLES  SO  GELAUFEN  WAR !

DUBRAUCHSTNICHT
Das war eine Frau, die musste alles was sie verrichtete, doppelt verrichten
"Ichwillmeineruhe," bat sie ihren Mann - so hieß er nämlich: "laß mich wenigstens doch mal ein paar Tage ausspannen."

"Dubrauchstnichts!" sagte er schroff zu ihr - denn so hieß sie: red nicht solchen Quatsch! Wer soll denn dann hier den ganzen Kram machen? Nun mach schon endlich was zu Essen!"
Das war es ja gerade, sie konnte keine Krümel, die sich heimtückisch wieder und wieder im Lappen verfingen, um im nächsten Augenblick neckender Kobolde gleich auf die Tischplatte zurück zu springen, Töpfe und Teller mit Essensresten, Wäsche und herumstehende Schuhe, über die sie andauernd stolperte, mehr ertragen.
Und das immer von neuem, Tag für Tag, Jahr um Jahr. Sosehr sie sich auch abmühte, es war jedesmal, als würfe ein unergründlicher böser Zauber das eben erledigte wieder achtlos irgendwo hin.

Sie schluckte wieder, daß er sie doch nicht lieb hat. Den ganzen Tag war sie doch lieb, fleißig und zu seinem Besten gehorsam. Was war es? Konnte es sein, daß sie sich bei dem, was sie schuf, freute? - Wie schön der Garten aussah, die Blumen, die frisch gewaschenen Gardinen, die gebügelten Hemden.
Sein Donnerwetter am Abend. Er hat den ganzen Tag gearbeitet, er kann alles verlangen!
JA,  WAS  IST  SCHON  DAS  DAGEGEN,  WAS  SIE  MACHT !
Und ihre Propellerarme haben nie zu erlahmen.

Sie schluckte, daß sie eine Arbeitsmaschine, eine Gebärmaschine, eine Totstellmaschine war, die nur aufgezogen wurde, wenn sie für ihn, den Herrn, nach seinen Wünschen springen mußte, die zusammenklappte, sobald die Feder abgelaufen war. Die heulte und kotzte in ihrer Erbärmlichkeit und sofort zu neuem Leben erweckt wurde, wenn der Schlüssel seiner Gehässigkeit klapperte und sie krachend zu neuen Tätigkeiten für ihn in Schwung brachte. Sie war seine Ameise! Immer fleißig, fleißig, fleißig. Nur fleißig!
       Die Bilder des Hochzeitstages, des Tages danach und vieler, vieler anderer Tage steigen von Zeit zu Zeit gewaltig in ihr hoch ...


Zum Seitenanfang Zum Teil 2